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Der Brexit in der deutschen Presse (Infografik)

Seit eine Mehrheit der Briten in einer Umfrage der Tageszeitung The Independent Ende November erstmals für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) stimmte, ist der sogenannte “Brexit” auch in deutschen Medien angekommen. In den sechs Wochen nach der Veröffentlichung der Umfrage wurden über 2.100 Artikel in deutschen Print- und Online-Medien dazu veröffentlicht. Die am häufigsten behandelten Themen waren die politischen und wirtschaftlichen Folgen eines möglichen Austritts, vor allem für das Vereinte Königreich (UK), sowie die Verhandlungsbemühungen des britischen Premierministers David Cameron, welcher die Abstimmung über den EU-Verbleib erstmals im Januar 2013 angekündigt hatte. Das ergab eine Analyse von 2,06 Millionen Presseveröffentlichungen im Auftrag der Gerle Financial Communications, einer in UK ansässigen, auf Finanzdienstleistungsunternehmen spezialisierten PR-Beratung.

Zwischen dem 24. November 2015 (dem Tag nach Veröffentlichung der Independent-Umfrage) und dem 10. Januar 2016 erschienen demnach 2.120 Artikel in deutschen Medien zu diesem Thema. Beinahe drei Viertel davon (1.549 Beiträge) entfielen auf Tageszeitungen, etwas mehr als ein Fünftel (445) auf Online-Medien; auf den weiteren Plätzen folgten Brexit-Erwähnungen in Agenturmeldungen (76), Zeitschriften (27), Sonntagszeitungen (11), Apps (5), Wochenzeitungen (4) und Newslettern (3).

Annähernd 400 Meldungen, Hintergrundberichte und Kommentare waren allein in der 48. Kalenderwoche zu lesen, in welcher die Independent-Umfrage veröffentlicht wurde: Danach stimmte eine Mehrheit von 52 Prozent der befragten rund 2.000 Briten für einen EU-Austritt, falls das Referendum zum Zeitpunkt der Befragung abgehalten worden wäre. Die meisten EU-Gegner waren vor allem ältere Bürger mit niedrigerem Bildungsstand und Wohnsitz im Süden und Südosten des Landes. Auf der anderen Seite waren die Befürworter für einen Verbleib in der EU vor allem unter den jüngeren, besser ausgebildeten Briten sowie den Walisern und Schotten anzutreffen.

Spekulationen über Folgen des EU-Austritts

Zwei Tage nach dem Independent setzte The Evening Standard noch einen drauf und publizierte die Resultate einer anderen Befragung: Danach gingen 58 Prozent der Briten davon aus, dass ein Brexit der Wirtschaft des Königreichs nicht schaden würde. Ein Viertel der Befragten sagte sogar, der Austritt Großbritanniens würde dem Land ökonomisch helfen. In die deutschen Medien fand diese Meinungsumfrage keinen Eingang.

In den folgenden beiden Wochen erschien eine Reihe von Artikeln (insgesamt 189), die sich schwerpunktmäßig mit Pro und Contra des Austritts und den – aus britischer Sicht – potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen durch Firmenwegzüge, Arbeitsplatzverlust und Steuerausfälle beschäftigten.

Die meisten Artikel zum Brexit, nämlich 552, gab es eine Woche vor Weihnachten in der deutschen Presse zu lesen: Am 17./18. Dezember stellte Cameron seine vier Kernforderungen für eine Reform der Europäischen Union vor den Regierungs-Chefs der anderen EU-Staaten in Brüssel vor – bekam von ihnen aber einen Korb, in erster Linie wegen seiner Forderung nach einer Beschneidung der Sozialleistungen für EU-Ausländer in Großbritannien.

Zum Jahreswechsel durfte das Wort „Brexit“ dann in keinem Rück- und Vorausblick fehlen – insgesamt 381 Veröffentlichungen erschienen in dieser Woche dazu in deutschen Medien. Am Beginn dieses Jahres war es erneut David Cameron, der das Thema medial fest in der Hand behielt: Er erlaubte den Ministern seines Kabinetts, in dem, womöglich noch 2016 stattfindenden Referendum, nach eigener Überzeugung für oder gegen einen Verbleib in der EU abzustimmen (schränkte diesen Freibrief allerdings später wieder ein). Für die deutsche Presse war dagegen sein Besuch auf dem CSU-Parteitag in Bad Kreuth von größerer Bedeutung, so dass der Brexit mit 529 Nennungen am zweithäufigsten im gesamten Beobachtungszeitraum auftauchte.

Die hohe Zahl der Veröffentlichungen über den Brexit in der deutschen Presse bereits jetzt lässt vermuten, dass das Thema in den kommenden Monaten bis zum EU-Referendum noch an medialer Bedeutung zunehmen wird. Das Interesse der „German media“ an den Stimmungen und Einschätzungen der Briten wird im Jahresverlauf 2016 also sicher noch intensiver warden.